Veröffentlicht: 25.04.2020

Blog #28: Einblasdämmung mit Zellulosefasern

Bei der Dämmung eines Gebäudes stehen Dutzende von Materialen und Verfahrensweisen zur Disposition, die alle ihre Berechtigung und ihre Vor- und Nachteile haben. Sich hier einen Überblick zu verschaffen braucht viel Zeit und auch Fachwissen. Durch unseren Architekten, aber auch befreundete Fachleute und Berater können wir die Informationsgewinnung deutlich abkürzen und reduzieren die Entscheidung am Ende auf zwei mögliche Materialien und Verfahrensweisen.

Die erste ist die Dämmung unseres Dachs, der Außen- und Innenwände und der Innendecke mit Mineralwolle. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dämmwolle ist leicht und relativ preisgünstig, dazu noch einfach – wenn auch nicht gerade angenehm – zu verarbeiten und selbst von einem technisch wenig begabten Bauherrn in Eigenregie zu leisten. Also eigentlich genau das Richtige für ein Selbstbauhaus wie das unsere.

Gerade in den letzten Punkten liegen die Schwächen einer Einblasdämmung. Hier kann der Bauherr nur periphere Vor- und Nacharbeiten selbst leisten, während die eigentliche Dämmung von einem Fachmann mit einer Einblasmaschine erbracht werden muss. Das macht das Verfahren deutlich teurer, was unserem Bestreben, möglichst viel selbst zu machen und dadurch mit einem Gesamtbudget von max. € 100.000,-* auszukommen, zuwiderläuft.

* ab Oberkante Bodenplatte

Zellulosematerial für die Einblasdämmung.

Allerdings bietet die Einblasdämmung mit Zellulosefasern eine Reihe von entscheidenden Vorteilen, die uns den Mehrpreis von ca. € 2.000,- zur selbst installierten Dämmung mit Mineralwolle wert sind.

• Bei der Zellulose handelt es sich um ökologisch unbedenkliches Recyclingmaterial aus zerfaserten Zeitungen.
• Die Dämmung mit Zellulosefasern unterstützt einen diffussionsoffenen Wandaufbau, den wir mit allen bisherigen Materialien angestrebt und umgesetzt haben.
• Einer unserer persönlichen Hauptgründe für die Zellulosedämmung liegt in ihrer Eigenschaft, sommerliche Hitze erst mit einer Zeitverzögerung von 10 bis 14 Stunden an den Innenraum weiterzugeben. Diese Zeitverzögerung nennt man Phasenverschiebung. 10 bis 14 Stunden nach dem Hitzepeak ist es in der Regel aber draußen schon wieder so kühl, dass man durch Lüften die Wände und Räume wieder abkühlen kann. Je höher die Wärmekapazität eines Dämmstoffes, desto länger ist die Phasenverschiebung und desto weniger Hitze kommt tagsüber im Raum an. So liegt die Wärmekapazität von korrekt eingeblasenen Zellulosefasern bei 2000 J/kgK, die von Mineralwolle aber nur bei 900 J/kgK. Hierbei wirkt sich auch die höhere Rohdichte des Zellulosematerials von ca. 60 kg/m³ positiv aus, während ein Kubikmeter Mineralwolle nur rund 15 kg auf die Waage bringt.
• Durch Borsalz-Zusätze werden die Zellulosefasern feuerhemmend ausgestattet, was außerdem Nagern und anderen Schädlingen den Appetit verdirbt.
• Darüber hinaus haben Zellulosefasern eine Kapillarwirkung, wodurch sie Feuchtigkeit gut aufnehmen und weitertransportieren können. D.h. dass eventuell eindringende Feuchtigkeit gut weitergeleitet wird, was der Verdunstung/Trocknung zu Gute kommt.
• Schließlich verfügt Zellulose auch noch über hervorragende schalldämmende Eigenschaften.
• Und last but not least ist das Material problemlos recycel- oder sogar wiederverwendbar, während so manch anderer Dämmstoff aufwändig und teuer als Sondermüll entsorgt werden muss.

Zellulosematerial von ISOCELL

Bei der Recherche nach geeigneten Anbietern stolpere ich recht schnell über die österreichische Firma Isocell, die auch in Deutschland, Frankreich, Schweden und der Schweiz vertreten ist. Auf meine telefonische Nachfrage in der Zentrale nach einem Einblasbetrieb in Kärnten nennt man mir Walter Krassnitzer als den „Einbläser vor dem Herrn“. Nun, das klingt nicht schlecht und so setze ich mich zügig mit Herrn Krassnitzer zwecks Erstellung eines Angebots und Festlegung eines Einblastermins in Verbindung. Preislich werden wir uns schnell einig, nur zeitlich klaffen zwischen unserem Wunschtermin und Walters Möglichkeiten eine ganze Reihe von Wochen. So viele, dass das Einblasen vor dem Dachdecken – was für die Dämmung des Dachs ideal gewesen wäre – überhaupt nicht hinhaut. Also decken wir unser Dach ohne dessen Dämmung und müssen in den sauren Apfel beißen, die Löcher für das Einblasen später innen zu bohren. Aber so ist das nun mal in einer boomenden Baubranche. Nur gut, dass wir das meiste selbst machen, denn die zeitliche Verfügbarkeit von Handwerkern ist schon sehr eingeschränkt. Will oder muss man gleich mehrere koordinieren und aufeinander abstimmen, dann wirkt der Bau-Terminkalender wie Handwerker-Tetris mit sehr großen (zeitlichen) Zwischenräumen. So wird auch unser Einblasung in zwei Sessions aufgeteilt. Eine für die Außenwände, eine andere für die Innenwände und das Dach, das aus o.g. Gründen von Innen ausgeblasen wird.

Kleine Wandsegmente werden manuell mit Mineralwolle gedämmt.

In den Wandsegmenten, in denen die Volumina zu klein sind, dämmen wir manuell mit Mineralwolle. 

Kleine Gefache werden manuell mit Mineralwolle gedämmt.
Manuelle Dämmung der Innenwände, in denen zahlreiche Leitungen verlaufen.

Das gleiche gilt auch für Innenwände, in denen zahlreiche Leitungen verlaufen. 

Dabei erweist sich der menschliche Körper einmal mehr als eine Fehlkonstruktion. Denn wie bitte schön, soll man eine schwere Bohrmaschine mit 120 mm Bohrkrone halten, und sich gleichzeitig auch noch festhalten können. Auch hier wäre eine zeitlich bessere Koordination hilfreich gewesen. Hätten wir die Arbeiten erledigt, als unser Gerüst noch stand, hätten wir uns deutlich leichter getan. Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch.

Löcher in die Außenwände bohren. Weil ich keine dritte Hand zum Festhalten habe, verwende ich mein Kitesurf-Trapez, um mich an die Wand zu hängen.

Dass ich mein Kitesurf-Trapez mal auf der Baustelle nutzen würde, hätte ich mir ehrlich gesagt auch nicht träumen lassen. So bitte nicht machen!!!
 

So verwende ich mein Kitesurf-Trapez allerdings lieber.

Allerdings ist mir die Verwendung des Trapez in dieser Form deutlich lieber. Aber man kann auf der Leiter stehend davon träumen ...

Mit den Bohrlöchern sieht unser Haus aus wie ein Schweizer Käse.

Unser Haus sieht aus wie ein Schweizer Käse.

Walter Krassnitzer

Der „Einbläser vor dem Herrn“ in seinem Reich: Walter Krassnitzer.

Von Walter erfahre ich bereits im Vorfeld, dass ISOCELL nicht einfach nur Zellulosedämmstoffe produziert und vertreibt, sondern sich auch intensiv mit der Forschung und Entwicklung beschäftigt und versucht, die Einblasdämmung auch immer wirksamer und umweltverträglicher zu gestalten. So verwendet man als Brandhemmer- und Schädlingsabwehrmittel Borsäure, die auch als Düngemittel im biologischen Landbau zugelassen ist. Außerdem wird ISOCELL-Zellulose ausschließlich mit Öko-Strom produziert. 

Einblasmaschine von ISOCELL

Auch die Einblasmaschinen entwickelt ISOCELL selbst.

Die Maschinen verfügen über je nach Modell über eine bzw. zwei Turbinen und befördern die Zellulosefaser über Schläuche an den Ort des Geschehens – nämlich in den Hohlraum. 

Einblasdämmung an einem Holzhaus

Walter beim Befüllen einer Außenwand. 

Zellulose Einblasdämmung

So sieht ein fertig befüllter Hohlraum aus.

Die Bohrlöcher werden mit Korkstopfen verschlossen.

Charly verschließt die Löcher im Anschluss mit Korkstopfen ...

Befüllen der Einblasmaschine mit Zellulose-Ballen.

... während ich die Einblasmaschine befülle. Bei dem Job herrscht immer Maskenpflicht, nicht nur zu Corona-Zeiten. 

Der Grad der Befüllung hängt vom an der Maschine eingestellten Druck und von der Erfahrung des Einbläsers ab. Überprüft wird das Ganze mit einigen Probebohrungen und der Entnahme des Zellulosekerns. Dessen Gewicht sagt etwas über die Dichte des eingeblasenen Materials aus. In einer Tabelle kann abgelesen werden, wie hoch die Rohdichte des Materials in der Wand bzw. in der Decke ist.

Probebohrung zur Dichtebestimmung

Probebohrung in der Decke. 

Gewichtsermittlung

Gewicht ermitteln. 

Bestimmung der Dichte des eingeblasenen Materials.

Überprüfung der Dichte des eingeblasenen Materials anhand einer Tabelle. 
In unserem Fall liegen wir bei knapp 60 kg pro Kubikmeter.

Dieser Wert ist wichtig, denn würde zu wenig Zellulose eingeblasen werden, kann sich das Material im Laufe der Jahre setzen und im oberen Bereich des Gefaches wäre keine Dämmung mehr vorhanden.

So hangelt sich Walter durch all die vorgebohrten Löcher und befüllt im ersten Durchgang unsere Wände. In einem zweiten geht es dann an die Decke und die Innenwände. Auch hier gilt es natürlich, die Löcher der einzelnen Gefache vorzubohren. 

Bohren der Einblaslöcher in der Decke

Chalry bohrt die Löcher in der Decke für die Einblasdämmung im Dach. 

Edith befüllt die Einblasmaschine

Edith füttert die gierige Einblasmaschine ...

Das Dach wird hier von innen über die Decke gedämmt.

… während ich den Assistenten mime. 

Bohrlöcher verschließen

Im Anschluss an die Dämmerei gilt es, die Bohrlöcher innen mit einem Holzsteg zu versehen …

Luftdichtes Verkleben der Bohrlöcher

… mit Spezialklebeband luftdicht zu verschließen, den Bohrkern mit dem Holzsteg verschrauben und das Ganze verpachteln. 


Fazit: Alles in allem war die ganze Aktion nicht unaufwendig, und wahrscheinlich haben wir nicht viel weniger Eigenleistung erbracht, als hätten wir die Wände mit Mineralwolle in Eigenregie gedämmt. Dafür haben wir aber die Gewissheit, eine ökologische Dämmung in den Wänden und im Dach zu haben. Die hält uns die Hitze der Kärntner Sonne wohl deutlich länger vom Leib, als das mit Mineralwolle der Fall gewesen wäre. Das ist uns der Mehrpreis und die Arbeit allemal wert. 

Im nächsten Blogbeitrag geht es um den Einbau einer dezentralen Be- und Entlüftungsanlage. 

 

 

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